Schicht im Schacht – die Gänsemarkt Passage ist Geschichte

Die grüne Metallfassade der Gänsemarkt Passage HamburgDie GÄNSEMARKT PASSAGE © Norbert Schmidt

Für die Gänse hat es sich am Gänsemarkt ausgeflattert. Eine der ältesten Hamburger Shopping Passagen wird ganz unsentimental abgerissen. So soll der Nachfolger Am Gänsemarkt aussehen.

Viele werden es noch nicht bemerkt haben. In der Gänsemarkt Passage ist endgültig das Licht zum 31. März 2022 ausgegangen. Damit geht eine Ära zu Ende. Die Passage mit markanten grünen Metallfassade, die von der ehemaligen Hamburg-Mannheimer Versicherung gebaut wurde, war zum Start State of the Art. Die moderne Architektur wurde gelobt und galt als vorbildlich. Es war ein starker Standort. Die Passage, die am 17. Oktober 1979 startete, war ein herausragender Meilenstein in der Entwicklung des ziemlich einmaligen Hamburger Passagenbooms.

Wir erinnern uns, es war weit vor der Wende, es gab noch keine PCs und es war die Goldene Zeit des Einzelhandels. Denn, an Online Shopping und Digitalisierung war nicht zu denken. Nicht einmal Privat-TV und Radio gab es zu dieser Zeit in Westdeutschland. Die damals sehr bekannten NDR Moderatoren Victoria Voncampe und Wolf-Dieter Stubel moderierten die große Eröffnungsfeier.

Die frühen Jahre der Hamburger Shopping Passagen

Den Anfang hatte die Alte Post-Passage (1971) mit hochwertigen inhabergeführten Fachgeschäften gemacht. Es folgten die Landesbank-Galerie (1974) und die Gerhof-Passage (1977). Dann kamen am 3. Februar 1979 das Kaufmannshaus und der Hamburger Hof am 21. September 1979 hinzu. Das Hanse-Viertel und die Passage Essen & Trinken am Gänsemarkt starteten 1980. Die Galleria eröffnete 1983, der Bleichenhof 1990 und das Levantehaus 1997. Allerdings, die Alte Post, Gerhof-Passage, die Landesbank-Galerie und Essen & Trinken am Gänsemarkt sind schon wieder Geschichte. Was in Hamburg nicht funktioniert wird ganz unsentimental verändert oder gar abgerissen.

In der Gänsemarkt Passage legte das BLOCK HAUS einen Grundstein für die nationale Bekanntheit

Dass die Passage ein starker Standort war, erkannte von Anfang an Steakhauskönig Eugen Block, der einen besonders guten Riecher für geeignete Lagen hat, und eröffnete im ersten Stock sein BLOCK HAUS. Schnell entwickelte es sich zu einem seiner umsatzstärksten Restaurants. Kein Wunder, die Staatsoper lag um die Ecke und auch das große Kino Ufa-Palast sorgten für viel Frequenz. Außerdem schlug der Gastronom damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Viele Touristen kehrten hier ein und waren sehr zufrieden. So wurde das BLOCK HAUS schnell zu einer bekannte Restaurantmarke in Deutschland. Das Ganze ohne zusätzlichen Werbe- und Marketingaufwand. Die Gänsemarkt Passage hat es mit möglich gemacht.

Gone with the Wind

Durchaus bekannte Einzelhändler waren die Passage vertreten. Stilvolles Gepäck gab es beim Traditionsunternehmen Klockmann. Das damals drittgrößte Hamburger Sporthaus Sport Kaap hatte 1.500 qm im Untergeschoss angemietet. Musste allerdings schon 2008 Insolvenz anmelden. Im Juni 2017 wurde die Butlers Filiale aufgrund einer Insolvenz geschlossen. Im Januar 2019 hat die österreichische Immobiliengruppe Signa die Gänsemarkt Passage gekauft und bekanntgegeben, dass das Gebäude abgerissen werden soll.

Allerdings in den letzten Jahren stieg die Fluktuation in der Passage an. Aus Händlerkreisen war zu hören, dass das Verhältnis Vermieter – Händler nach dem Eigentümerwechsel sich deutlich abgekühlt hat. Der Corona-Lockdown hat die Entwicklung dann noch einmal beschleunigt.

Immobilien-Insider wussten, die Käuferströme in der City haben sich verlagert. Der boomende Online Handel setzte immer mehr den klassischen stationären Einzelhandel zu. Nur mit neuen Konzepten und Raumaufteilungen kann der stationäre Einzelhandel zukünftig überleben. Dazu kommen interne Gründe. Die Haustechnik der Passage war in die Jahre gekommen, eine Folge war ein hoher Energieverbrauch.

Bis Ende März mussten alle Mieter aus der Gänsemarkt Passage ausziehen. Seit dem 1. April 2022 ist sie ganz und endgültig geschlossen. Dem Gebäude mit der charakteristischen grünen Metallfassade steht vor dem Abriss.

Am Gänsemarkt ist die Zukunft

Auf den Abrisstrümmern der Gänsemarkt Passage entsteht das Projekt Am Gänsemarkt (als Arbeitstitel war auch Lessinghöfe im Gespräch). Am Gänsemarkt wird nach einem Entwurf des Hamburger Architekturbüros BIWERMAU gebaut werden. Geplant ist ein modernes Gebäudeensemble mit drei urbanen Gebäuden mit hellen Fassaden. Innenhöfe werden die Gebäude mit dem Gänsemarkt, der Büschstraße und den Colonnaden verbinden.

Abrissbaustelle Am Gänsemarkt. Rechts eine alte Giebelwerbung vom Hamburger Abendblatt
März 2023: Die alte Gänsemarkt Passage ist fast abgerissen. Man beachte die alte Giebelwerbung des Hamburger Abendblatts © Norbert Schmidt

Die alte Gänsemarkt Passage hatte rund 15.000 qm Fläche. Retail und Büronutzung haben sich diese in etwa mittig geteilt. Zukünftig spielen Retail und Gastronomie mit lediglich 2.300 qm nur die zweite Geige. Das sind rund zwei Drittel Fläche weniger.

Signa hat als Investor den Fokus auf moderne zeitgemäße flexiblen Büroflächen (9.500 qm) gelegt. Dazu kommen 30 wertige Wohnungen mit insgesamt 1.700 qm Fläche (eine Pflichtauflage der Stadt). Die Hälfte der Wohnungen wird gefördert. Die Wohnungen entstehen im nördlichen Gebäudeabschnitt. Die zum Komplex gehörenden Adressen Colonnaden 21 und 25 aus der Gründerzeit bleiben erhalten.

So geht es weiter

Eines steht schon fest, das BLOCK HAUS bleibt dem Gänsemarkt treu und wechselt in das schräg gegenüberliegende Deutschlandhaus, das im Frühjahr 2023 fertiggestellt wird. Auf den neuen Retailflächen von Am Gänsemarkt will Signa vor allem auf kleine Manufakturen und Unternehmen als Mieter setzen. So könnten etwa ein Schuster oder eine Kaffeerösterei einziehen. Allerdings ist es schwer vorstellbar, dass solche Unternehmen die absolut hohe Ladenmieten aufbringen können. Der Bau soll im April 2023 starten. Signa rechnet mit der Fertigstellung des Projektes Am Gänsemarkt im April 2025.

Hier geht es zum Projekt: am-gaensemarkt.com