Pflegesituation in Hamburg: Bis 2030 mehr Pflegebedürftige als erwartet

Rollstuhl wird geschobenBild von truthseeker08 auf Pixabay

Der anhaltende Fachkräftemangel in der Pflege stellt Deutschland vor eine große Herausforderung. Besonders prekär ist die Situation in Hamburg. Und auch für die Zukunft sehen die Prognosen nicht besser aus. Weil die Anzahl der Pflegebedürftigen bis 2030 massiv steigen wird, fordern Experten, den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten, um mehr Menschen für einen Beruf in der Pflege begeistern zu können. Wir verraten, wie die Pflegesituation in Hamburg genau aussieht und welche Möglichkeiten es gibt, in der Pflege Fuß zu fassen.

Pflegeberufe sind monentan noch wenig attraktiv

Überstunden, schlechte Bezahlung, mangelnde Wertschätzung: Unter Auszubildenden haben Pflegeberufe keinen guten Ruf. Dieser macht auch vor der Hansestadt Hamburg nicht Halt. Professor Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (EKE) spricht von einer regelrechten „Flucht aus den Pflegeberufen“.

Er steht damit nicht alleine da. Wie unattraktiv Pflegeberufe zu sein scheinen, verdeutlicht Daniel Gravanis, Intensivpflegekraft im UKE. Mittlerweile hat er seine Arbeitszeit auf 25 % reduziert. Anstatt wie geplant ein pflegenahes Studium zu beginnen, hat er sich nun für Jura als Studienfach entschieden. Grund dafür seien die Arbeitsbedingungen in der Pflege. Durch die schlechte Personalbesetzung auf den Stationen könne er die Dinge, welche er in einem solchen Studium lernen würde, nicht umsetzen. Dafür bräuchte es einen Versorgungsschlüssel von 1:2 anstatt wie bisher 1:3 und in Ausnahmefällen 1:4. Das würde bedeuten, dass sich ein Pfleger nur um zwei Schwerstkranke und nicht um drei oder vier kümmern muss. So sei keine menschenwürdige Pflege möglich. Zu Beginn der Pandemie habe man die Arbeitsbedingungen im Pflegebereich zwar noch thematisiert, doch ebenso schnell sei dieses Thema wieder in den Hintergrund geraten.

Mehr Pflegebedürftige als angenommen

Aktuell werden in Hamburg Pfleger und Erzieher händeringend gesucht. Doch obwohl der Arbeitsmarkt hier gut aussieht, fehlt Fachpersonal. Wie aus einem aktuellen Pflegereport der Barmer Krankenkasse hervorgeht, dürfte der Personalbedarf in der Altenpflege sogar noch größer sein als bislang angenommen. Bei Neuberechnungen kommt die Krankenkasse zu dem Schluss, dass bisherige Hochrechnungen dazu wie sich die Zahl der Pflegeberdürftigen deutschlandweit entwickeln wird, nicht stimmen. Denn in den bisherigen Prognosen seien die neuen Pflegegesetze noch nicht berücksichtigt worden, so etwa die Reform der Pflegestufen. Durch diese gelten nun mehr Menschen als pflegebedürftig und erhalten Geld von den Pflegekassen. Für Hamburg rechnet die Barmer, dass hier im Jahr 2030 112.000 Pflegebedürftige leben werden. Immerhin 20.000 mehr als bisher prognostiziert. Dadurch steige auch der Bedarf an Pflegefachkräften in der Altenpflege – um rund 1.000 auf knapp 22.000. Unabhängige Pflege-Experten bestätigen diese Rechnung.

Als Lösung sieht die Krankenkasse unter anderem vor, den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten. Dies könne zum Beispiel gelingen, indem man die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessere. Vor allem der Schichtdienst im Pflegesektor gilt als große Hürde für das Familienleben. Einige Pflegeheime bieten ihren Mitarbeitern bereits Angebote zur Kinderbetreuung an oder nehmen bei der Einteilung von Dienstplänen Rücksicht auf Eltern mit Kind. Das ist jedoch nicht überall so. Deshalb muss oftmals ein Elternteil zuhause bleiben um die Kinderbetreuung übernehmen zu können.

Zahl der Auszubildenden in der Pflege nur marginal gestiegen

Mit der großen Pflegereform 2020, bei der auch die neue Ausbildung zur Pflegefachfrau und zum Pflegefachmann beschlossen wurde, wollte man die Attraktivität der Pflegebranche steigern und mehr Menschen dazu bewegen, eine entsprechende Ausbildung zu beginnen. Mit der Bündelung der Krankenpflege sowie der Kinder- und Altenpflege zu einer gemeinsamen Ausbildung wurden viele Änderungen eingeführt. So muss von den Auszubildenden etwa kein Schulgeld mehr gezahlt werden. Stattdessen erhalten Auszubildende jetzt eine angemessene Ausbildungsvergütung. Ebenso vorteilhaft sind die breit aufgestellten Ausbildungsinhalte. In den ersten beiden Ausbildungsjahren findet eine generalistische Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Pflege statt. Anschließend können sich die Auszubildenden entscheiden: Entweder bleiben sie in der Generalistik und erwerben nach einem weiteren Jahr den Abschluss „Pflegefachfrau“ bzw. „Pflegefachmann“. Oder sie spezialisieren sich auf den Bereich Alten- bzw. Kinderkrankenpflege. Der Abschluss „Pflegefachmann/Pflegefachfrau“ ist EU-weit anerkannt, so dass auch eine Beschäftigung im Ausland möglich ist.

Aktuelle Zahlen legen nun offen, ob der Beruf des Pflegers mit der Reform tatsächlich an Attraktivität gewonnen hat. Wie ein Zweijahresvergleich zeigt, sind die Ausbildungszahlen kaum gestiegen. Auch die Quote der Abbrecher liegt nach wie vor mit fast 30 % relativ hoch. Dabei gibt es für ausgebildete Pflegefachkräfte in Hamburg vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten. Neben einer großen Anzahl an Alten- und Pflegeheimen gehören auch Einrichtungen des betreuten Wohnens zu den potenziellen Arbeitgebern. Alleine die Diakonie Hamburg unterhält mehr als 80 Pflegeeinrichtungen. Auch in Krankenhäusern, Facharztpraxen und Gesundheitszentren, bei ambulanten Pflegediensten, Einrichtungen der Kurzzeitpflege, Hospizen sowie in Wohnheimen für Menschen mit Behinderung sind Pflegefachmänner und -frauen als Bewerber gerne gesehen.

Mittlerweile haben viele Einrichtungen erkannt, dass sie Bewerbern einiges bieten müssen, um als potenzielle Arbeitgeber in Betracht gezogen zu werden. Sie versuchen neue Mitarbeiter zum Beispiel mit einer so genannten Begrüßungsprämie, arbeitgeberfinanzierten Weiterbildungsangeboten, ein betrieblichem Gesundheitsmanagement sowie steuerfreien Sachzuwendungen zu locken.

So wird man Pflegefachkraft

Um eine generalistische Pflegeausbildung beginnen zu können, sollte man mindestens den Realschulabschluss besitzen. Auch wer eine vergleichbare, abgeschlossene Schulbildung nachweisen kann, wird gerne als Azubi genommen. Wer in Besitz eines Hauptschulabschlusses ist, kann ebenfalls Pflegefachmann oder -frau werden. In diesem Fall muss man einen kleinen Umweg gehen und zunächst eine Pflegehelfer- bzw. Pflegeassistenz-Ausbildung beginnen. Sofern man sich entschließt, danach eine Ausbildung zur Pflegefachkraft zu beginnen, kann die Ausbildungszeit entsprechend angerechnet werden. Eine weitere mögliche Alternative ist ein Hauptschulabschluss in Kombination mit einer erfolgreich abgeschlossenen mindestens zweijährigen Berufsausbildung.

Die Ausbildung gliedert sich in Theorie und Praxis, wobei der theoretische Teil 2.100 Stunden einnimmt. Hier werden relevante Kenntnisse in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie in den Naturwissenschaften, den Sozial- und Geisteswissenschaften, in Politik, Wirtschaft und Recht vermittelt. Der praktische Teil umfasst 2.500 Stunden. Diese verbringen die Auszubildenden in stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen, wo sie ihr Wissen in die Praxis umsetzen können. Weil sie auf verschiedenen Stationen arbeiten, können sie unterschiedliche Fachgebiete kennen lernen und sich auf Wunsch im dritten Lehrjahr spezialisieren. Eine Spezialisierung bzw. Vertiefung in einem bestimmten pflegerischen Bereich ist auch später noch möglich. Für ausgebildete Pflegefachkräfte gibt es ein umfassendes Angebot an Fachweiterbildungen und administrativen Weiterbildungen.